Kritik zu Ein verborgenes Leben

© Pandora Film Verleih

Terrence Malick zeigt das Leben des österreichischen Bauern Franz Jägerstätter, der 1943 wegen »Wehrkraftzersetzung« hingerichtet wurde, als Geschichte einer reinen Seele mit großer Überzeugung

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4 (Stimmen: 1)

Terrence Malick geht es nicht unbedingt darum, Gegenwart herzustellen in seinen Filmen. Der US-amerikanische Regisseur hat etwas Größeres im Sinn: den Odem der Überzeitlichkeit. Ob nun ein Dinosaurier seinem toten Artgenossen behutsam die Augen schließt wie in »Tree of Life« oder ob eine Frau inmitten hoher Gräser liebend um einen Mann tanzt wie in »To the Wonder« – immer ist es in Malicks letzten Regiearbeiten das Geschöpf – nicht einfach nur Tier oder Mensch –, das sich in einen Kosmos gestellt sieht, der weit über es hinausweist. In Malicks jüngstem Film »Ein verborgenes Leben« findet diese Theologie des hochgestimmten Allbezugs nun zu einem konkreten religiösen Genre: der Märtyrergeschichte.

Erzählt wird von einem weithin unbekannten stillen Helden. Der oberösterreichische Bauer Franz Jägerstätter weigerte sich standhaft, den nach der Besetzung Österreichs für alle Männer obligatorischen Eid auf die Wehrmacht zu leisten und in ihr zu kämpfen. 1940 wird Jägerstätter zum Militärdienst einberufen, kann dann aber nach wenigen Tagen wegen amtlich beurkundeter Unabkömmlichkeit zu seiner Familie auf den Hof zurückkehren. Einer weiteren Einberufung leistet er nicht mehr Folge. Am 1. März 1943 erklärt er, »dass er aufgrund seiner religiösen Einstellung den Wehrdienst mit der Waffe ablehne (…)«. Auf diesen Widerstand folgte die Inhaftierung. Bewusst ging Jägerstätter seinen Weg bis zum Tod auf dem Schafott.

Diese wahre Geschichte ließe hinlänglich Raum für Pathos, das Terrence Malick, Jahrgang 1943, indes klug vermeidet. Seine Inszenierung setzt auf die sorgsame Begleitung eines Menschen bis zur letzten existenziellen Konsequenz von dessen Entscheidung. Dabei beginnt »Ein verborgenes Leben« mit Archivaufnahmen aus Leni Riefenstahls Propagandafilmen über die Nürnberger NSDAP-Parteitage. Dieser historische Rahmen wird allerdings sogleich durch Bilder aus dem oberösterreichischen Bergdorf St. Radegund erweitert, der Heimat von Jägerstätter, in denen sehr organisch die Archaik des damaligen bäuerlichen ­Lebens mitschwingt – als Verweis auf und Einbindung in einen umfassenderen Daseinszusammenhang als den politischen. Wohl auch deswegen misst Malick wiederkehrenden Bildern körperlicher Arbeit und schlichten Beisammenseins große Bedeutung zu: Gras wird gemäht, Vieh wird versorgt, Felder werden bestellt, Gebete werden gesprochen.

Ein Allbezug stellt sich indes über die Setzung der Menschen im filmischen Raum her: Die Kamera von Jörg Widmer lässt die Protagonisten immer wieder ins Bild ragen, fast steil, so als seien sie fragile Zeugen ihrer selbst. Das hat man so noch nicht gesehen! August Diehl ist mit seinem inneren Leuchten einer physisch zarten Erscheinung die ideale Besetzung für die Zentralfigur auf ihrem Kreuzweg; wenn Diehl als Sämann übers Feld geht, gewinnt dies biblische Wucht. Bei seiner Berufung auf die mit dem freien Willen einhergehende Verantwortung richtet sich sein Jägerstätter an Gott aus, der diesen freien Willen ja erst gegeben habe. In der Bezugnahme auf das Christentum geht Malick hier ebenso konkret wie furchtlos vor, ohne Berührungsängste, aber kritisch gegenüber der Institution Kirche. Anregung zu theologischer Disputation wird dem Zuschauer reichlich geboten (»Warum hast DU uns geschaffen?« etc.). Weitere Archivbilder, nun vom Krieg und von Hitler auf dem Obersalzberg, bestärken nur die Autorität der Entscheidung Jägerstätters, machen aber auch deutlich, dass Terrence Malicks grundsätzliche transzendentale Bemühung zwingend an faschistischen Figuren scheitern muss.

Am 9. August 1943 wird Franz Jägerstätter, damals 36 Jahre alt, wegen »Wehrkraftzersetzung« hingerichtet. Malicks Dreistundenwerk greift auf den Briefwechsel zwischen Jägerstätter und seiner Frau Franziska (gespielt von Valerie Pachner) zurück. Man muss nicht gläubig sein, muss das »Reich Gottes« nicht wie der Held als »wahres Vaterland« ansehen, um diesen Film als kostbares Geschenk zu verstehen. Letztlich entfaltet »Ein verborgenes Leben« die Geschichte einer reinen Seele, aber auch die eines Menschen, der bis zuletzt wertekonform handelt und dadurch zum Außenseiter wird in einer Gemeinschaft potenziell violenter Konformisten.

Meinung zum Thema

Kommentare

Ein anspruchsvoller interessanter Film, in leisen Tönen umgesetzt, intensive Dialoge und Begegnungen im Stil eines Kammerspiels. Natur und Umwelt als Teil der Dramaturgie.
Schön, dass diesen stillen Helden gedacht wird. Nur 36 Jahre wurde der Mann, Vater, Ehemann und Bauer, dessen Geschichte erzählt wird.

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